13. September 2024

Klärungshilfe: Ein Beispiel

Der Gründer und Partner einer Rechtsanwaltskanzlei sucht nach einem Moderator für einen Konflikt zwischen den Partnern, Rechtsanwälten und Mitarbeiterinnen des Sekretariats. Er berichtet, dass es immer wieder zu Spannungen kommt – bei der Zuteilung von Mandaten und bei der Reihenfolge der Abarbeitung von Aufgaben im Sekretariat. Die Stimmung sei seit längerem angespannt.

Aufgrund der Schilderung erscheint es sinnvoll das Instrument der Klärungshilfe einzusetzen. Der Klärungshelfer vermeidet es, sich den Konflikt ausführlicher schildern zu lassen, da dies zusammen mit allen Beteiligten erfolgen soll. Er fragt, ob beide Partner zu einer Konfliktklärung bereit sind, als dies bejaht wird, vereinbart er einen Termin mit einem Zeitumfang von 1,5 Tagen.

Ablauf der Klärungshilfe:

Einführung: Der Klärungshelfer stellt sich vor und erklärt den Ablauf der Klärungshilfe. Er betont, dass es darum geht, die Konflikte und die durch sie hervorgerufenen Emotionen zu benennen und dann herauszuarbeiten, auf welcher Basis eine weitere Zusammenarbeit möglich ist.

Darstellung der Konflikte: Die Anwesenden erhalten die Möglichkeit, nacheinander und ohne Unterbrechung ihre Sichtweisen und Gefühle darzustellen. Es stellt sich heraus, dass zwei Rechtsanwälte sich bei der Zuteilung der Mandate benachteiligt fühlen. Sie äußern die Vermutung, dass die Sekretariatskräfte von einem der Partner angewiesen wurden, Anfragen bevorzugt an die Partner und einen weiteren Rechtsanwalt zu vermitteln, auch wenn sie ihre Spezialisierung betreffen. Die Sekretariatsmitarbeiterinnen beklagen sich wiederum, dass zwei Rechtanwälte ihnen Aufgaben immer sehr kurzfristig zuleiten und dann erwarten, dass diese bevorzugt bearbeitet werden, außerdem seien sie mit der Fülle der Aufgaben oft überlastet. Den Gründer der Kanzlei ärgert es, dass sowohl ein Rechtsanwalt wie auch eine der Sekretariatsmitarbeiterinnen ihre Unzufriedenheit auch wiederholt gegenüber Mandanten geäußert haben.

Der Klärungshelfer fertigt anschließend eine Übersicht über die verschiedenen Konfliktthemen an und legt eine Reihenfolge fest, in der diese behandelt werden.

Dialogphase: Nun geht es darum, die geäußerten Sichtweisen, Gefühle und Vermutungen zu vertiefen und dem Gegenüber die Möglichkeit zu geben darauf zu reagieren. Einer der Anwälte, der sich benachteiligt fühlt, ist verärgert darüber, dass Anfragen, die zu seinem Spezialgebiet gehören, wiederholt einem der Partner übertragen wurden. Er äußert den Verdacht, dass eine der Sekretariatsmitarbeiterinnen angewiesen wurde, es so zu handhaben. An zwei Stellen vertieft der Klärungshelfer die Aussagen, indem er sie vorsichtig interpretierend mit eigenen Worten wiedergibt und dann zurückfragt, ob er es richtig wiedergegeben habe. Dann bittet er zunächst den Partner und dann die Sekretariatsmitarbeiterin, auf den Vorwurf zu reagieren. Der Partner versichert, dass es keine entsprechende Anweisung gab, er sei einige Male selber erstaunt gewesen, dass der Auftrag bei ihm gelandet sei. Die Sekretariatsmitarbeiterin bestätigt, dass es keine Anweisung gab, die Abgrenzung der Spezialgebiete sei ihr „nicht immer voll gegenwärtig“, deshalb habe sie die eine oder andere Anfrage vielleicht an den Partner weitergeleitet. Sie zeigt Verständnis für die Verärgerung des dadurch benachteiligten Anwalts.

In ähnlicher Weise werden auch die übrigen Konflikte angesprochen. Dabei wird sichtbar, dass sich über mehrere Jahre sehr viel Misstrauen und viele Verletzungen angesammelt haben. Durch das strukturierte Vorgehen, das Bemühen, die Sichtweisen und Emotionen der Vortragenden zu verstehen gelingt es, die Sichtweisen so miteinander ins Gespräch zu bringen, dass eine Verständigung möglich erscheint.

Erklärungs- und Lösungsphase: Der Klärungshelfer erläutert, dass manchmal die Interpretation vorausgegangener (nicht geklärter) Situationen die Wahrnehmung des Verhaltens anderer beeinflusst und dazu führt, dass sich eine negative Sicht auf das Gegenüber verfestigt. Mehrere Teilnehmer bestätigen, dass dies die Zusammenarbeit zunehmend erschwert habe, bisher habe es noch nie ein offenes Gespräch über das Miteinander in der Kanzlei gegeben. Es wird deutlich, dass dies in Zukunft häufiger stattfinden sollte, auch müssten die Kriterien für die Zuteilung von Mandaten noch einmal unter die Lupe genommen und überarbeitet werden. Außerdem vereinbaren alle, dass bei Auftreten neuer Konflikte zunächst das direkte Gespräch gesucht wird.

Abschluss, Ergebnissicherung: Der Klärungshelfer fasst die Ergebnisse zusammen und stellt sicher, dass alle Beteiligten mit den vereinbarten Maßnahmen einverstanden sind. Es wird ein Follow-up-Termin nach 6 Wochen vereinbart, um den Fortschritt zu überprüfen.

[Bei diesem stellt sich heraus, dass der Umgang miteinander offener geworden ist. Da die Überarbeitung der Kriterien für die Zuteilung von Mandaten noch nicht abgeschlossen ist, kam es zu erneuten Spannungen, diese konnten aber im direkten Gespräch geklärt werden. Ein weiterer Follow-up-Termin wird vereinbart.]

Haben Sie Fragen?

Treten Sie mit mir in Kontakt